James MacMillan - Oboenkonzert

 

Die Anzahl der großen Oboenkonzerte ist wahrlich begrenzt und so ist es erfreulich, dass der schottischen Komponist und Dirigent James MacMillan gerade die Oboe mit einem großen Solokonzert bedacht hat. Bereits viele Orchesterwerke, darunter auch eine Oper „The Sacrifice“, umfasst das kompositorische Werk des ehemaligen Dirigenten des BBC Philharmonic Orchestras und des aufgelösten Niederländischen Rundfunks.

 


Das für den britischen Oboisten Nicholas Daniel komponierte Solokonzert ist ein Auftragswerk der Britten Sinfonia und fand seine Uraufführung bereits 2010 in Birmingham. Seitdem wurde es mehrfach auch von anderen Oboisten auf die Konzertbühne gebracht. Darunter in den USA von Nigel Shore und dem „Orquesta Filarmónica de la UNAM“sowie in Berlin von der deutschen Oboistin Viola Wilmsen mit der Sinfonietta 92.

 

Das dreisätzige Solokonzert fordert den professionellen Oboisten und beeindruckt das Publikum zugleich. Bereits am Anfang des rhythmisch, tänzerischen ersten Satzes lässt er die Oboe nach einer synkopischen Einleitung bereits bis auf das dreigestrichene gis klettern. Dort im Forte verharrend zeigt MacMillan dem Zuhörer zu welchen Extremen die Oboe fähig ist und schafft damit einen fulminanten Einstieg. Die darauffolgenden langen Sechzehntelpassagen erinnern wegen ihrer atemlosen Länge an die großen bekannten Oboenkonzerte von Strauss, Williams und Martinu.

Die technische Herausforderung die Sechzehntel-Triolen im angegebenen Tempo zu spielen ist sicherlich harte Arbeit, aber wird dafür beim Zuhörer umso beeindruckender wahrgenommen. Nach einigen weiteren spielerisch und rhythmisch markanten Elementen schließt der erste Satz in einem langen Triller mit leicht durchschimmernden Fragmenten.


Im langsamen zweiten Satz kann der Oboist seine klanglichen Fähigkeiten voll und ganz zeigen. Vom Pianissimo bis zum Fortissimo werden die langen Kantilenen geführt und verschmelzen wechselseitig mit dem Orchesterklang. Girlanden und rhythmische Finessen schmücken diesen Satz und lassen ihn nicht langweilig werden. Konditionell ist der langsame Satz wie so oft ein Kraftakt und lässt nicht nur das Publikum atemlos zurück.


Der tänzerische dritte Satz fällt vor allem wegen der vielen Triller, Praller, Vorschläge und Tremoli auf. Dadurch bekommt er einen grotesken und harlekinartigen Anstrich. Von lustigen Elementen über dramatische bis hin zu brutalen Klängen kann der Oboist hier nochmals sein enorm breites Spektrum zeigen. Das teilweise chaosartige Klangbild spitzt sich zu, um dann kurz vor Ende noch einmal Platz zu machen für die Oboe. Nach einem langen c³ setzt der Solist zum technischen  Höhepunkt an und lässt das Publikum staunend zurück.

 

Die meisterhaft gespielten Interpretationen von Nigel Shore und Viola Wilmsen können auf Youtube nachgehört werden und vermitteln einen guten Eindruck über das Konzert sowie dessen Publikumswirkung.

 

 


Das wahrlich als Paradestück geltende Oboenkonzert von James MacMillan reiht sich erfolgreich zwischen den bereits wohlbekannten Konzerten von Vaughan Williams und Bohuslav Martinu ein, wenn auch ein wenig moderner im Klang. Diese neue Herausforderung für den professionellen Oboisten gehört in jeden Notenschrank und wird sich sicherlich im Oboenrepertoire etablieren.

 

 

Erhältlich bei Boosey & Hawkes als Orchesterfassung sowie als reduzierte Fassung für Oboe und Klavier.

 

Dieser Artikel erschien zuerst in der Fachzeitschrift "Oboe-Fagott", Ausgabe 4/2017. Erhältlich im Goldbach-Verlag

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Kommentare: 3
  • #1

    Leonard (Dienstag, 23 Januar 2018 23:01)

    Was für ein toller Artikel! An dieser Stelle möchte ich auf das Oboenkonzert von Sebastian Krajeswki hinweisen: /watch?v=YOgM6IWl1po Es fristet meiner Meinung nach zu Unrecht ein Schattendasein. Ist vielleicht auch mal einen Artikel wert?
    LG

  • #2

    David Werner (Mittwoch, 24 Januar 2018 10:43)

    Danke für den Tipp. Das Konzert von Krajeswki ist sehr schön.

  • #3

    Dagmar (Donnerstag, 25 Januar 2018 08:59)

    Über diesen Beitrag bin ich nun gerade bei dem Konzert von Krajewski gelandet, das mir persönlich in seiner Tonsprache mehr zusagt. Hat jemand einen Tip, wie ich an Noten dazu kommen könnte? Eine einfache Internetrecherche blieb gerade erfolglos.
    Danke!